Die Kolumne: Gebratene Tauben schmecken gallebitter oder warum keiner den asiatischen Marienkäfer mag

Asiatischer Marienkäfer fotografiert von Hans Schächl. http://www.schaechl.de

Ist Ihnen aufgefallen, wie still es inzwischen in der Dämmerung ist? Mich reißt seit kurzer Zeit morgens ein einzelner, virtuoser Sänger aus dem Schlaf. Nach einem Anruf beim Naturschutzbund bin ich schlauer: Es wird wohl ein Hausrotschwanz sein, der in aller Herrgottsfrühe oben vergnügt auf dem Dach trällert. Die Männchen legen sich im Herbst aus Langeweile noch einmal richtig ins Zeug. Vielleicht freut sich der Rotschwanz auch nur unbändig. Nicht über den nahenden Winter, sondern über die vielen asiatischen Marienkäfer. Als Insektenfresser könnte der Vogel angesichts der gepunkteten Plage momentan im Paradies leben – ihm fliegen ja sozusagen die gebratenen Tauben in den Schnabel. In Massen versammeln sich die Blattlausfresser an sonnenbeschienenen Häuserwänden und suchen nach einer Überwinterungsmöglichkeit in Fensterritzen und unter Dachvorsprüngen. Reich gedeckter Tisch also. Doch leider verspeist kein Vogel freiwillig zweimal einen Marienkäfer. Denn sein gelber Blutersatz, die so genannte Hämolymphe, schmeckt bitter und ist giftig. Da es keine Feinde gibt, konnte sich Harmonia axyridis massenhaft erst in den USA und jetzt in Europa ausbreiten. Wie so oft ist die Natur wieder einmal viel komplizierter als gedacht.

Die Kolumne: Quadratisch, praktisch, öd

Sie gehörten in jeden 70er-Jahre-Garten: Thuja- und Koniferenhecken galten damals als Gartenjuwel. Jeder wollte eine. Schließlich sind sie auch im Winter avocadogrün und unterscheiden sich krass von der Buchenhecke in Mutterns Schrebergarten. Hier und da stehen die penibel eckig geschnittenen Relikte einer anderen Zeit noch – gern auch als gestreift Hecken mit abwechselnd hellen und dunklen Pflanzen. Sie sind praktisch und preiswert. Und lassen sich so wunderbar in Form schneiden.  Für die Umwelt sind diese Hecken aber in etwa so förderlich wie ein PVC-Bodenbelag fürs Raumklima. Darunter wächst nicht mal Gras, und kein Tier mag sie. Da frage ich mich, welches Marketing-Genie sich den deutschen Namen „Lebensbaum“ dafür ausgedacht hat.

Die Kolumne: Wieso ist eigentlich ein Vogel neuer Baum des Jahres?

Die Lerche ist gestern zum Vogel des Jahres 2012 ernannt worden. Oh völlig falsch, ich bitte um Entschuldigung. Also noch mal: Die Lärche ist gestern zum Baum des Jahres 2012 ernannt worden. Die einen singen virtuos und brüten auf dem Boden, die anderen wachsen im Hochgebirge und werfen im Winter als einziger heimischer Nadelbaum alles Grüne ab. Die Elsbeere hat damit als Baum des Jahres ausgedient. Schade eigentlich. Zum Glück wurden in den vergangenen zwölf Monaten, als die „Schöne Else“ im Rampenlicht stand, viele dieser Bäume gepflanzt. Dank Umweltschützern und Brautpaaren wachsen hier jetzt mehr von den Bäumen, deren Früchte gegen Bauchschmerzen und Verdauungsproblemen helfen sollen. Die Nadeln der Lärche hingegen werden vermutlich Bauchschmerzen bei denen verursachen, die sie essen. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass massenhaft Brautpaare die Alpen hochsteigen, um Lärchen zu pflanzen. Aber vermutlich wird dieser hier seltene Baum  durch seine Wahl nun bekannter. Damit niemand mehr glaubt, Lärchen könnten singen. Ach ja:  Vogel des Jahres 2012 ist übrigens die Dohle.

Die Kolumne: Blumige Patchwork-Familie oder ein neuer Name für klassischen Beetschmuck

Klassischer Beetschmuck: Jetzt ist Pflanzzeit für Stiefmütterchen.

Sie galten lange als Oma-Blume, doch inzwischen ist das Image des Stiefmütterchens (gezüchtet seit dem 16. Jahrhundert) gründlich aufpoliert. Pflegeleicht und anspruchslos sind sie noch immer. Werden Stiefmütterchen jetzt gepflanzt, blühen weniger empfindliche Arten den Winter durch. Dabei gibt es immer mehr  Varianten, die gar nicht altbacken daherkommen – in Hellbau, Ton in Ton verlaufend und sogar mit Tigerstreifen. Nur der Name ist stiefmütterlich geblieben. Er stammt wohl von den ungleichen Blütenblättern bei der klassischen dreifarbigen Variante – das unterste Blütenblatt symbolisiert die Stiefmutter, die sich anschließenden, ähnlich gefärbten die beiden Töchter und die oberen, traditionell andersfarbigen Blütenblätter die Stieftöchter. Mit den vielen neuen Züchtungen wäre es an der Zeit für eine Umbenennung. Wie wäre es denn mit Patchwork-Viola? Schließlich gehen die Blüten auch mit der Zeit.

Die Kolumne: Weder Tiere noch Pflanzen oder Pilzalarm im Garten

Sie liegen auf der Beliebtheitsskala knapp unterhalb von verfaultem Fallobst und knapp oberhalb von Nacktschnecken: Im Garten sprießen die Pilze. Wo die Wurzeln des gefällten Apfelbaumes unter der Erde modert, steht ein Haufen Pilze mit giftig-gelben Köpfen (vermutzlich Löwengelber Dachpilz). Im Moos durchzogenen Rasen tauchen immer wieder bräunliche Pilze von schlanker Statur auf, gemeinhin bekannt als Tintlinge. Und an einem alten Baumstumpf wachsen dachziegelartige Baumschwämme. Die Kinder ekeln sich gehörig. Und berühren die Fruchtkörper, die biologisch weder Pflanzen noch Tiere sind, höchstens mit der Fußspitze. Dennoch entgeht ihnen nie ein Pilz im Garten, auch wenn sie ihn unter keinen Umständen (auch nicht in Butter gebraten) essen würden. Schade eigentlich – sonst könnte ich ihr Talent zum Pilze-Aufspüren aunutzen und sie auf Steinpilz-Jagd in den Wald schicken.

Die Kolumne: Gloihniche Deuwel oder Essigwasser für leuchtende Fratzen

Ganz schön gruselig: Auch in Deutschland leuchten zu Allerheiligen traditionell die Fratzen.

Was Iren und Amerikaner können, können wir auch. Also schmücken wir überall für Halloween, auch wenn keiner so genau weiß, was wir da eigentlich feiern. Die leuchtenden Fratzen aus Kürbissen sind jedoch ein Reimport. In Deutschland werden dafür traditionell Rüben genommen.

Die Kinder zogen im Spätherbst oder gar am Martinstag mit den leuchten Fratzen aus Zucker-, Runkel- oder Steckrüben umher, die je nach Region „Riabagoaschtern“ (Schwaben), „Flenntippln“ (Oberlausitz), „Rubebötz“ (Thüringen), „Gloihniche Deuwel“ (Westerwald) und „Kipkapköögels“ (Ostfriesland) heißen. Warum inzwischen Kürbisse beliebter sind (die seit eh und je in der Steiermark als „Kürbislotter“ gibt), liegt auf der Hand: Die Fratzen werden größer und sind einfacher zu schnitzen, weil sich die Kürbisse besser aushölen lassen.

Wer jetzt den Kürbis schnitzt, läuft allerdings Gefahr, dass dieser den Vorabend von Allerheiligen am 31. Oktober nicht mehr erlebt – weil der Schimmel das Gemüse  dahin gerafft hat. Keime in der Fratze lassen sich jedoch abtöten, indem man den Kürbis mit Essigwasser auswäscht. Es soll auch helfen,Vaseline auf die Schnittränder zu schmieren. Und kühl aufbewahren. Wer dem Gerücht glaubt, Haarspray halte die Fratze frisch, könnte eine Überraschung erleben. Wenn nämlich nicht nur die Kerze, sondern gleich der ganze Kürbis brennt. Schön schaurig ist das allemal.

Bastelei: Mit einem Messer, Kerzen und etwas Geschick können Zuckerrüben leuchten.

Die Kolumne: Das Glück in der Tasche tragen

Glänzende Glücksbringer: Die Kastanien fallen von den Bäumen.

Jetzt liegen sie wieder auf dem Boden und wollen mitgenommen werden. Wunderbar glänzende, sattbraune Kastanien. Sie sehen so glatt aus, dass ich meine Hand einfach danach ausstrecken muss. Ich streiche dann ein paar Mal darüber und stecke sie ein. Und so trage ich immer einige Baumfrüchte mit mir herum. Und rede mir ein, dass sie mir Glück bringen, wenn ich dann und wann daran reibe und mir etwas wünsche.

So was vererbt sich. Meine Urgroßmutter glaubte beispielsweise fest daran, dass eine schillernde Fischschuppe in ihrer Geldbörse dafür sorgen würde, dass ihr nie das Geld ausgeht. Meine Kinder haben das Gen übrigens auch. Das stelle ich immer wieder fest, wenn ich die Wäsche aus der Maschine hole – und Kastanien finde.

Die Kolumne: Lasst die Blätter ruhig ausreden!

Herbstleuchten: Die Blätter des wilden Weins färben sich rot.

„Mama, wer malt die Blätter an?“ Ein laufender Meter stützt sich auf seinen Kinderbesen und schaut auf einen Haufen hübsch-gelber Lindenblätter. „Die vergammeln einfach“, erklärt sein Freund (4) im Oberlehrerton. Die Natur, wenn auch nur beim Laubfegen vor der eigenen Haustür, ist manchmal die beste Schule.

Da fängt man als Mutter besser nicht mit dem Abbau des Pflanzenfarbstoffs Chlorophyll an. Das er einsetzt, wenn die Tage kürzer und kälter werden. Ist der grüne Farbstoff weg, werden die leuchtend gelben und roten Farbpigmente sichtbar, die während des Sommers durch das Grün überlagert waren.

„Die Blätter sagen dem Sommer auf Wiedersehen, bevor die Bäume in den Winterschlaf gehen“, sage ich. Der wilde Wein am Zaun leuchtet knallrot in der Herbstsonne. „Na Mama, dann können wir sie ja auch noch eine Weile liegenlassen, bis sie ausgeredet haben.“ Manchmal steckt viel Weisheit in einem Vierjährigen. Und Laubfegen hat wirklich noch Zeit.